Zu Besuch in der Stadt der Türme und Tore

Ravensburg hat 50 000 Einwohner, 50 Interessierte konnten an der Exkursion des Arbeitskreises Stadtgeschichte in die alte Handelsstadt und ins benachbarte Weingarten teilnehmen. Ravensburg war bis 1802 freie Reichsstadt, kam dann an Bayern und 1810 an Württemberg. Wegen Ihrer vielen Türme und Tore und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung im Mittelalter und der frühen Neuzeit wird sie zu Recht das „Schwäbische Nürnberg“ genannt. Auch heute ist Ravensburg die wirtschaftliche Mitte der Region Bodensee und Allgäu.

Die Stadt blieb im 30-jährigen Krieg und im Zweiten Weltkrieg weitgehend verschont. An die Reichsstadtherrlichkeit erinnern so noch viele Bauten, die einen Rundgang durch die Altstadt zum Erlebnis machen. Die Exkursion führte zuerst in das Museum Humpis-Quartier, ein aus sieben Gebäuden bestehendes Wohnquartier der Patrizier- und Fernhändlerfamilie Humpis. Die Gebäude stammen aus dem 14., 15. und frühen 16. Jahrhundert. Sie sind heute eines der besterhaltenen spätmittelalterlichen Wohnquartiere in Süddeutschland, in ihm kann die städtische Kultur- und Wirtschaftsgeschichte vom 11. bis zu 21. Jahrhundert authentisch erlebt werden.

Prof. Dr. Andreas Schmauder, ein gebürtiger Metzinger, der am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium sein Abitur machte und heute das Stadtarchiv in Ravensburg und das Museum leitet, begrüßte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer und machte sie mit der Geschichte des Gebäudeensembles bekannt. Anschließend ging es im Humpis-Quartier in zwei Gruppen auf die faszinierende Entdeckungsreise ins Mittelalter und die spätere Zeit der Stadt.

Nach dem Mittagessen im „Mohren“, dem früheren Haus der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft, erkundeten die Exkursionsteilnehmer in zwei geführten Gruppen bei sonnigem und warmem Wetter die Altstadt. Auf dem historischen Rundgang erfuhren sie Vieles über die Geschichte der Stadt, das Waaghaus, den Blaserturm, das Lederhaus, das von einem Patrizier zur Rettung seiner Seele als Pilgerherberge gestiftete Seelhaus, die Evangelische Stadtkirche, die vor der Reformation zum Karmeliterkloster gehörte und das Rathaus. Und in der nahen Ferne grüßten der runde, weiße Turm des Mehlsacks, die Veitsburg, das Ober- und Untertor und das Frauentor. Fast alle besichtigten Gebäude liegen am oder in der Nähe des langgestreckten Marienplatzes, der durch Zuschütten des ersten Stadtgrabens entstanden ist, als im 14. Jahrhundert die Oberstadt zu klein geworden war.

Die Nachbarstadt Weingarten ist etwas größer als Metzingen. Hier konnte am späten Nachmittag nur noch das „Schwäbische Sankt Peter“, wie das 1956 zur Basilika erhobene Barockmünster St. Martin oft genannt wird, besichtigt werden. Seine Silhouette auf dem Martinsberg beherrscht die Stadt, die auf eine 1500 Jahre alte Geschichte zurückblicken kann. Im 9. Jahrhundert wurde der damals „Altdorf“ genannte Ort Sitz des Welfengeschlechts. Die Barockbasilika „zum Ruhm Gottes und zur Ehre des Heiligen Blutes“ wurde im frühen 18. Jahrhundert in Rekordzeit, in nur neun Jahren gebaut. Sie ist vor allem durch ihre Große Orgel auf der Westempore berühmt, die Joseph Gabler von 1737 bis 1750 schuf. Diese größte Barockorgel Süddeutschlands ist ein Instrument der   Superlative und Überraschungen: sie hat ein Glockenspiel, ein Paukenregister, einen Kuckucksruf und die Vox Humana: einige Pfeifen können die menschliche Stimme imitieren. Stephan Debeur, der Organist von St. Martin, zeigte den Teilnehmern und Teilnehmerinnen, was in der berühmten Orgel steckt. Sein großartiges Orgelspiel war krönender Abschluss eines ereignisreichen Exkursionstages.