Auf den Spuren Heinrichs des Löwen und Heinrich Heines

AKS-Reisegruppe

AKS-Reisegruppe

Goslar, Hildesheim, Braunschweig und der Brocken im Harz, das waren die wichtigsten Stationen der Exkursion, zu der in diesem Jahr der Arbeitskreis Stadtgeschichte eingeladen hatte. Sie war von Dr. Karl Weitnauer, unterstützt von Rolf Scheu, kreativ und akribisch vorbereitet worden. Die sechs Tage boten ein anregendes, abwechslungsreiches Programm, das einen guten Einblick in die Geschichte und Gegenwart dieser und anderer Städte in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt bot. Auch der Naturraum Harz durfte natürlich nicht fehlen.

Die Studienreise „Unterwegs in der Geschichte“, wie es Peter Rogosch im Bus in seinem Beitrag „Von Canossa bis Braunschweig“ formulierte, führte in die Zeit vom Hochmittelalter bis in das 18. Jahrhundert. Kunstgeschichtlich stand die Zeit der Romanik im Vordergrund. Im 10. und 11. Jahrhundert schufen die Erben Karls des Großen das Deutsche Reich und das neue Europa. Im ostfränkischen Reich begann das Zeitalter des glanzvollen, wenn auch immer wieder von Fehden und Katastrophen erschütterten, deutschen Kaisertums mit den Ottonen und Saliern. Ihren Spuren begegneten die neugierigen und interessierten 45 Teilnehmer der Reise immer wieder. Der Harz mit seinen Erz- und Silbervorkommen war in jener Zeit ein bedeutendes wirtschaftliches Pfand, daher entstanden in seinem Umfeld bedeutende Pfalzen, Burgen und Klöster.

Goslar, Kaiserpfalz

Goslar, Kaiserpfalz

Ziel der Studienreise am frühen Pfingstmontag war die ehrwürdige alte Stadt Goslar mit ihrer reichen „kaiserlichen“ Vergangenheit. Dort nistete sich die Reisegruppe in einem schönen alten 4-Sterne Hotel am Rande der Altstadt ein. Die Stadt hat heute rund 40 000 Einwohner, sie wurde 1992 mit ihrer Altstadt und dem Rammelsberg mit seinen Bergwerken in die UNESCO-Liste des Kultur- und Naturerbes der Menschheit aufgenommen. Unterwegs wurde in Hannoversch-Münden haltgemacht, der kleinen Stadt am Zusammenfluss von Werra und Fulda zur Weser,  um ihre Altstadt mit ihren zahlreichen, beeindruckenden Fachwerkhäusern kennenzulernen. Goslar am nächsten Tag imponierte durch seine bedeutende Geschichte, die in seiner grandiosen, vom Zweiten Weltkrieg verschonten Altstadt mit ihren zahlreichen Fachwerkbauten, in der Kaiserpfalz und dem berühmten Huldigungssaal im Rathaus manifest wurde. Die Nationalsozialisten nahmen dieses Erbe auf ihre Weise für sich in Anspruch und machten die Stadt 1936 zur „Reichsbauernstadt“. Am Nachmittag erkundeten wir bei schönem Wetter das „Oberharzer Wasserregal“, das weltweit bedeutendste, vorindustrielle Wasserwirtschaftssystem, das viele Jahrhunderte lang den Betrieb der Bergwerke im Harz erst möglich machte.

Braunschweiger Löwe

Braunschweiger Löwe

Der nächste Vormittag gehörte Braunschweig, der Stadt Heinrichs des Löwen. Er war der welfische Vetter und Gegenspieler des Staufers Friedrich Barbarossa im 12. Jahrhundert. Das Zentrum der Stadt wurde im 2. Weltkrieg weitgehend zerstört, nur die Stiftskirche St. Blasius mit dem Grab Heinrichs und seiner Frau Mathilde entging dem Inferno ohne große Beschädigungen. Braunschweig weist noch manche – zum größten Teil wieder hergestellte – bedeutende Bauwerke auf, doch es kann nicht verbergen, dass es nach 1945 möglichst schnell wieder aufgebaut wurde, und das möglichst „autogerecht“. Die Stadt hat jetzt 250 000 Einwohner und ist nach Hannover die zweitgrößte Stadt Niedersachsens. Sie gilt heute als bedeutender europäischer Standort für Wissenschaft und Forschung. Anschließend wurde der Kaiserdom in Königslutter besichtigt, in diesem großartigen romanischen Bauwerk ist Kaiser Lothar III. von Supplinburg begraben. Den Abschluss des Tages bildete eine Führung durch den Dom und das Domschatzmuseum zu Halberstadt in Sachsen-Anhalt. Der Domschatz gilt als einer der kostbarsten der Welt, mit mehr als 650 Stücken ist er der größte mittelalterliche Kirchenschatz, der an seinem Ursprungsort erhalten ist.

Wernigerode, Rathaus

Wernigerode, Rathaus

Am folgenden Tag wurde zunächst Wernigerode in Sachsen-Anhalt besichtigt. Hermann Löns nannte die kleine Stadt am Fuße des Brockens (heute rund 35 000 Einwohner) zu Recht „die bunte Stadt am Harz“. Sie konnte während der Zeit der DDR ihr buntes, fröhliches Gesicht weitgehend bewahren. Von dort fuhren wir mit der berühmten Harzer Schmalspurbahn zum Brocken. Dieser zeigte sich, wie es sich für ihn gehört, wolkenverhangen und regnerisch. Der Brocken mit seinen 1141 Metern ist der buchstäbliche Höhepunkt einer Harzreise. Berühmte Brockenwanderer wie Johann Wolfgang von Goethe, Heinrich Heine und Hermann Löns haben ihn beschrieben und Goethe hat dort Schauplätze für seinen „Faust“ gefunden. Da das Wetter zu rau und die Zeit zu kurz war, konnten wir allerdings nicht zu den Granitfelsen „Teufelskanzel“ und „Hexenaltar“ auf der Brockenkuppe wandern. Das neu eingerichtete Brockenmuseum versöhnte uns dafür mit seinen Exponaten zu Fauna und Flora sowie zur  Geschichte des Brockens, der im Kalten Krieg durch seine militärische Nutzung eine herausragende Rolle spielte. Auf dem Rückweg nach Goslar bewunderten wir die evangelisch-lutherische Marktkirche zum Heiligen Geist in Clausthal. Der nur aus Holz errichtete, 1642 eingeweihte Bau ist die größte Holzkirche in Deutschland, die ursprünglich 2000, heute rund 1500 Sitzplätze bietet. Das Gotteshaus beeindruckt vor allem durch seinen künstlerischen und historischen Wert, es hat eine singuläre Stellung in der europäischen Architekturgeschichte.

Der Freitag gehörte Hildesheim. Die im letzten Krieg schwer heimgesuchte Stadt mit ihren heute rund 100 000 Einwohnern beeindruckt durch ihre großartigen romanischen Kirchen und die gelungene Wiederherstellung des Marktplatzes mit dem berühmten „Knochenhauer-Amtshaus“ von 1529, das als „schönstes Holzhaus der Welt“ galt. Es fiel

Hildesheim, Knochenhaueramtshaus

Hildesheim, Knochenhaueramtshaus

neben anderen einzigartigen Gebäuden dem Feuersturm im März 1945 zum Opfer, wurde jedoch vor wenigen Jahren wieder originalgetreu aufgebaut. Unser Hauptinteresse galt den großen Kirchen und hier besonders der romanischen St. Michaeliskirche. Der Dom wird zurzeit grundlegend restauriert und ist dadurch nicht zugänglich. Seine berühmte bronzene Bernwardstür konnten wir jedoch im Museum bewundern, seine künstlerisch und theologisch nicht weniger bedeutende Christussäule aus Bronze steht jetzt vorübergehend in St. Michael. Der großartige, vergoldete Heziloleuchter,

Heziloleuchter

Heziloleuchter

der größte von vier in Deutschland noch existierenden Radleuchtern, beeindruckte uns in der ebenfalls hochromanischen St. Godehard-Basilika, wo er vorübergehend seinen Platz gefunden hat.

Der Dom und die St. Michaeliskirche mit ihrer großartigen Holzdecke sind seit 1985 Weltkulturerbe der UNESCO. Der Tag in Hildesheim begann mit einer Führung durch die St. Michaeliskirche und endete dort mit einem eindrucksvollen Orgelkonzert, das der promovierte Theologe und Kirchenmusiker Jochen M. Arnold speziell für unsere Besuchergruppe gab. Jochen M. Arnold war Vikar und Kantor in Reutlingen, seit dem Jahr 2004 wirkt er in Hildesheim als Direktor des Michaelisklosters, dem Zentrum für Gottesdienst und Kirchenmusik der Evangelischen Landeskirche Hannover. Diesen großartigen Abschluss des Tages verdanken die Mitreisenden einem Teilnehmer, Herrn Peter Carl, der den vielbeschäftigten Kirchenmann, der auch als Privatdozent an der Universität Leipzig lehrt, zu diesem Orgelspiel gewann. Jochen M. Arnold ließ es sich anschließend nicht nehmen, uns dann noch sein „Haus“, die Amtsräume und das Seminar für Kirchenmusik in dem ehemaligen Michaeliskloster zu zeigen.

Die Rückreise am Samstag war kurzweilig. Im Museum Schloss Wilhelmshöhe in Kassel zeigte uns eine Führung durch die „Gemäldegalerie Alte Meister“ bedeutende Werke der flämischen und holländischen Kunst des 17. Jahrhunderts. Rembrandt und Rubens sind hier neben Frans Hals mit wichtigen Werken vertreten. Der anschließende Besuch des schlossartigen Herkulesoktogons mit der Herkules-Statue im Bergpark Wilhelmshöhe, einem Bauwerk des frühen 18. Jahrhunderts, bot bei sonnigem, klaren Wetter einen großartigen Blick auf den Habichtswald und Kassel – in Richtung Nordosten konnte man sogar den Brocken ahnen.

Kassel, Herkules

Kassel, Herkules

Blick vom Herkules

Blick vom Herkules

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Programm dieser Reise versprach viel – und es hat sein Versprechen in überzeugender Weise gehalten.

(Die Fotos hat Dr. Weitnauer aufgenommen. Das vollständige Album können Sie hier anschauen.)