Exkursion nach Freudenstadt und Alpirsbach am 8. September 2012

Zwei ganz unterschiedliche Schwarzwaldorte waren das Ziel der 45 Interessierten an diesem sonnigen Spätsommertag: das erst Ende des 16. Jahrhundert gegründete Freudenstadt und das mittelalterliche Alpirsbach.

 

 

 

 

Freudenstadt ist die älteste regelmäßige Stadtanlage nördlich der Alpen im Stil der Spätrenaissance. Ihr Baumeister war Heinrich Schickhardt, der Bauherr Herzog Friedrich I. von Württemberg. Er gründete die Stadt im Jahr 1599, um den Silberbergbau im benachbarten St. Christophstal zu fördern. Auf einer Höhenlage von rund 700 m entstand  eine Planstadt, die beim Tode Friedrichs im Jahre 1608 schon 2.000 Einwohner zählte. Das im Zentrum geplante mächtige Schloss wurde nie gebaut, dadurch entstand Deutschlands größter Marktplatz. Der fast quadratische Platz mit 219 m x 216 m Seitenlänge ist 4,74 Hektar groß.

Drei mühlbrettartige Häuserzeilen umgeben ihn, die innerste mit Arkaden. Die Evangelische Stadtkirche von Heinrich Schickhardt wurde von 1601 bis 1614 erbaut, 1945 bis auf Teile der Umfassungsmauern zerstört. Der Winkelhakenbau – zwei Schiffe von gleicher Größe stoßen rechtwinklig zusammen –  mit seinen zwei mächtigen Türmen ist als ein Eckstück des Marktplatzes neben diesem das Wahrzeichen der Stadt. Im Jahr der Grundsteinlegung der Kirche erhielt die Stadt den Namen „Freudenstadt“. Sie nahm bald evangelische Glaubensflüchtlinge aus der Steiermark, Kärnten und Krain auf.

In den folgenden Jahrhunderten musste die Stadt wie andere Orte Pestwellen, Großbrände und Plünderungen, Kriegs- und Hungerjahre erleiden. Ein besonders einschneidendes Ereignis war für sie, die 1939 „Heilklimatischer Kurort“ geworden war, die fast völlige Zerstörung durch französische Artillerie im April 1945. In den ersten Tagen der Besatzung gab es schwerste Übergriffe auf die Bevölkerung in Form von Plünderungen und Vergewaltigungen. Der Wiederaufbau in den Jahren 1949 bis 1954 wird heute als das Wunder von Freudenstadt bezeichnet, denn er erfolgte in Anlehnung an die alten Pläne. Heute hat die Stadt knapp 24.000 Einwohner.

Nach einem kurzen Bummel über den Marktplatz besichtigte die Gruppe die Stadtkirche. Diese ist von verschiedenen Stilelementen geprägt: sie hat mittelalterliche gotische Fenster neben Renaissancepforten und ihre Türme sind mit welschen Hauben und mittelalterlichen Wasserspeiern geschmückt.

„Schickhardt hatte den Auftrag, keine reine Renaissancekirche zu bauen, sondern die mittelalterliche Geschichte des Hauses Württemberg in die neue Renaissancestadt zu tragen“, so erklärt das Faltblatt „Stadtrundgang“ den Stilmix. Die Kirche bietet heute – nach der Zerstörung – ein schlichtes Bild. Zwar wurde die Decke mit ihrem Netzgewölbe wieder hergestellt, aber die früheren württembergischen Wappen wurden durch christliche Symbole ersetzt. Ein herausragendes Stück ist das romanische Lesepult von 1150, das vermutlich aus dem Kloster Alpirsbach oder Hirsau stammt. Es symbolisiert mit seinen vier Evangelisten den christlichen Auftrag, das Wort Gottes in alle vier Himmelsrichtungen zu verkünden.

Beeindruckend ist auch der steinerne Taufstein von 1100, dessen Figuren den Kampf zwischen Dämonen und Lichtmächten darstellen. Er ruht auf liegenden Löwen. Das Kruzifix von 1500 berührt durch das ergreifende Christusantlitz.

Nach der Mittagspause im Hotel Langenwaldsee stand Alpirsbach auf dem Programm. Die hochragende, ehemalige Klosterkirche St. Benediktus mit ihrer großartigen Raumwirkung ist eine der wenigen fast unversehrt gebliebenen Bauten der von der cluniazensischen Reform geprägten Hirsauer Kunst. Sie ist eine der best erhaltenen Flachdeckbasiliken. Drei Adlige stifteten 1095 das Benediktinerkloster. Die ersten Mönche kamen aus St. Blasien. Die Klosterkirche wurde 1128 geweiht. Sie zeigt einen klaren Grundriss ohne Westchor, hat keine Krypta und weist wenig plastischen Schmuck auf. Das Kirchenschiff  imponiert in seiner archaisierenden Form durch seine Höhe und Klarheit. Das Tympanon des Hauptportals beherrscht Jesus Christus als Majestas Domini auf dem Regenbogen in der Mandorla, diese wird von zwei Engeln getragen. Im Innern imponieren neben dem großartigen Raumeindruck der Marienaltar des Ulmers Nikolaus Weckmann aus dem frühen 16. Jahrhundert und seit 2008 die von Claudius Winterhalter gebaute Orgel. Diese wurde gestalterisch als „skulpturhafte Klangsäule“ konzipiert; sie besitzt 35 Register, ist elf Meter hoch, hat eine Grundfläche von 4 x 4 Metern und wiegt 16 Tonnen. Die Orgel steht im Südflügel der Vierung, von dort kann sie auf einem Luftkissen in deren Mitte gefahren und bis zu 90° gedreht werden. Die einstündige Vorführung der Orgel durch Kantor Ulrich Weissert war ein besonderes Erlebnis.

1522 verließ Ambrosius Blarer das Kloster und begann 1535 mit der Reformation. Das Kloster wurde im gleichen Jahr durch Herzog Ulrich aufgehoben. Um 1563 wurde ein Klosteramt zur Verwaltung des Kirchenguts mit einem evangelischen Abt an der Spitze gebildet (bis 1810). Eine Führung durch die noch vorhandenen Konventsbauten: Dormitorium mit Zellen, Kreuzgang, Südempore und der Besuch des Klostermuseums vermittelten einen Eindruck vom mittelalterlichen Klosterleben und der evangelischen Zeit bis zur Säkularisation.

Die Exkursion wurde von Eberhard Zacher inhaltlich vorbereitet. Er informierte kenntnisreich und umfassend über beide Reiseziele. Rudolf Renz unterstützte ihn bei der Planung.

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